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Afrika-Cup 2024: Vier Erkenntnisse - und eine Frage

Chaos, Vielfalt, Überraschungen

Vier Erkenntnisse vom Afrika-Cup - und eine Frage, die bleibt

Sadio Mané (li.) konnte mit Favorit Senegal nicht lachen - im Gegensatz zu diesem Fan aus Burkina Faso.

Sadio Mané (li.) konnte mit Favorit Senegal nicht lachen - im Gegensatz zu diesem Fan aus Burkina Faso. picture alliance / Getty Images

Der Afrika-Cup ist der ausgeglichenste Nationenwettbewerb

Wettscheine für dieses Turnier ausfüllen? Mit ziemlicher Sicherheit ein Verlustgeschäft. Der Afrika-Cup 2024 war vor allem eines: unvorhersehbar. Trotz des dankbaren Modus', der 16 von 24 Teams in die K.-o.-Runde hievt, erwischte es mit Ghana, Algerien und Tunesien gleich drei große Namen schon in der Gruppenphase - und um ein Haar auch den späteren Sieger Elfenbeinküste.

Die beiden hohen Turnierfavoriten, Titelverteidiger Senegal und WM-Halbfinalist Marokko, verabschiedeten sich ebenso wie Rekordsieger Ägypten im Achtelfinale. Die Folge: Keiner der acht Viertelfinalisten des Turniers 2022 schaffte es 2024 erneut in die Runde der letzten Acht - bei so ziemlich jedem anderen großen Wettbewerb eigentlich unvorstellbar.

ABIDJAN, IVORY COAST - FEBRUARY 11: Sebastien Romain Teddy Haller of Ivory Coast celebrates the teams first goal during the TotalEnergies CAF Africa Cup of Nations final match between Nigeria and Ivory Coast at Stade Olympique Alassane Ouattara on February 11, 2024 in Abidjan, Ivory Coast. (Photo by Ulrik Pedersen/DeFodi Images via Getty Images)

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Alle acht Gruppensieger waren spätestens im Viertelfinale ausgeschieden - und, vielleicht noch aussagekräftiger: Seit 2010 schaffte es kein amtierender Titelträger mehr auch nur ins Viertelfinale. "Für mich ist es nicht der Afrika-Cup der Überraschungen, sondern der Afrika-Cup der Arbeit", sagte Trainer Sebastien Desarbre, der die Demokratische Republik Kongo - ebenfalls etwas unerwartet - bis ins Halbfinale führte. "Bei allen Mannschaften, die weit gekommen sind, wurde gute Arbeit geleistet."

Das Niveau steigt, leidet aber unter den Bedingungen

Während die Fülle an afrikanischen Top-Stars im Weltfußball schon einmal größer war als aktuell, ist die Entwicklung des Spielniveaus aus afrikanischer Sicht durchaus erfreulich - gerade im Vergleich zum Turnier 2022. Waren die Spiele damals häufig zäh und durch Abwarten geprägt, gab es 2024 mehr Tore, mehr Tempo, mehr Tamtam. Das Prädikat "hochklassig" zu vergeben, wäre jedoch - mit Ausnahme einiger weniger Spiele - vermessen.

Das hat allerdings auch seine Gründe: Das eigentlich für den Sommer 2023 angesetzte Turnier war wegen der drohenden Überschwemmungen in der Elfenbeinküste auf Januar und Februar verschoben worden - also in die Trockenzeit. An manchen Spielorten im Landesinneren kratzte die Temperatur während des Cups an der 40-Grad-Marke. Schwierige Bedingungen für hohe Intensität, vor allem für die vielen Spieler, die aus Europa anreisten oder dort aufgewachsen sind. "Ich weiß nicht, ob ich nach einem Spiel schonmal so erschöpft war", sagte etwa Kap Verdes in Irland geborener Verteidiger Roberto Lopes.

Hinzu kommt, dass der Termin kaum eine intensive Vorbereitung möglich machte, Automatismen oder Spielsysteme in so kurzer Zeit nicht einzustudieren waren. Manche Spieler wurden von ihren Vereinen erst wenige Tage vor Turnierbeginn freigegeben, Kameruns Keeper André Onana verpasste sogar das Auftaktspiel seines Teams gegen Guinea, weil er nur 24 Stunden zuvor noch im Tor von Manchester United gestanden hatte. Ein Entgegenkommen gerade des europäischen Fußballs wäre mehr als angebracht.

Wie viel ein gut eingespieltes Kollektiv eigentlich wert wäre, zeigt das Beispiel Südafrika: Das Team erreichte ohne einen einzigen Spieler aus Europas Top-Ligen im Kader beinahe das Finale. Ihre Startelf bestand aus bis zu acht Akteuren des heimischen Spitzenklubs Mamelodi Sundowns.

Das Turnier war bunt, aber die Stadien leer

Achraf Hakimi, Victor Osimhen, Ellyes Skhiri und Didier Drogba - alle im selben Flugzeug. Zumindest auf den Namen der Trikots, deren Insassen am Flughafen in Abidjan landen. Die größte Stadt der Elfenbeinküste war in diesen Wochen ein Treffpunkt von Afrikas Nationen - ein Turnier, für das auch viele Menschen aus Europa oder den USA anreisten, um ihr Heimatland zu unterstützen. Die Begeisterung für das Turnier ist riesig auf diesem Kontinent, wo Fußball für die Menschen vielleicht noch ein bisschen mehr bedeutet als anderswo. In den Stadien herrschten Freude und Tanz vor statt Hass und Rivalität.

Einzig: Es war nicht viel los. Vor allem in der Gruppenphase herrschte mitunter gähnende Leere. Beim Eröffnungsspiel von Gastgeber Elfenbeinküste war die Arena gerade mal gut zur Hälfte gefüllt, die Partie Nigeria gegen Äquatorialguinea etwa verfolgten nur 8500 Menschen in einem Stadion, das 60.000 Platz geboten hätte. Wie viel Kraft ein volles ivorisches Stadion entfalten kann, zeigte sich erst in der K.-o.-Runde - dann aber umso eindrucksvoller.

Der Afrika-Cup wird professioneller - und bleibt doch chaotisch

"Es ist der beste Afrika-Cup der Geschichte" ist ein Satz, den man während dieser Wochen in der Elfenbeinküste ständig hörte. Und Patrice Motsepe, der Präsident des afrikanischen Fußballverbands CAF, ist sicher: "Der nächste wird sogar noch besser." Natürlich muss er das sagen, zumindest einige langjährige Beobachter stimmen aber durchaus zu. Der CAF ist auf struktureller Ebene professioneller geworden - und damit auch der Afrika-Cup.

Und doch bleibt vieles auf einem Level, das der Größe des Turniers nicht gerecht wird. Bestes Beispiel: Das Chaos rund um die Eintrittskarten. Der Online-Ticketshop machte immer wieder Probleme, war nicht erreichbar. Stornierte Tickets gingen nicht zurück in den Verkauf. An den Verkaufsstellen vor Ort waren mitunter die Drucker überfordert. Spiele, die auf dem Papier ausverkauft waren, fanden vor halb leeren Rängen statt.

Die Frage der Nachhaltigkeit bleibt unbeantwortet

Beim Afrika-Cup wird viel für den Moment gelebt. Kurzschlusshandlungen bei Verantwortlichen sind an der Tagesordnung - und manchmal, wie im Fall der Elfenbeinküste, auch erfolgreich. Auch beim nun abgeschlossenen Turnier taten CAF und ivorischer Verband viel, um ein nach außen hin perfektes Turnier auf die Beine zu stellen - und viel davon gelang.

Trotzdem ist - wie so oft in Afrika - Vorsicht geboten. All die Bemühungen, die Initiativen, die schönen Stadien, haben für ein tolles Turnier gesorgt, aber was jetzt? Für das einst 218 Millionen Euro teure Final-Stadion in Ebimpé etwa gibt es noch keinen Plan. Sportlich leidet der Kontinent noch immer unter der schlechten Jugendförderung und Ausbildung, wegen der viele Top-Talente früh den Weg nach Europa suchen. Um international langfristig konkurrenzfähig sein zu können, muss der afrikanische Fußball auch langfristig denken.

Dieser Text erschien in Auszügen in der Montagsausgabe des kicker am 12. Februar.

Michael Bächle

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