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Baumjohann im Interview: "Hier entwickelt sich etwas Großes"

Sportdirektor des Sydney FC über die A-League und seine Ex-Klubs

Baumjohann im Interview: "Hier entwickelt sich etwas Großes"

Sydneys Sportdirektor Alexander Baumjohann.

Sydneys Sportdirektor Alexander Baumjohann. privat

Trainer wie Jupp Heynckes und Ralf Rangnick prägten ihn, Manager wie Rudi Assauer, Horst Heldt und Max Eberl. In seiner Karriere nach der Zeit als Profi geht Alexander Baumjohann seinen eigenen Weg. Den früheren Bundesliga-Profi (Schalke, Gladbach, Bayern, Kaiserslautern, Hertha) zog es nach einem Abstecher in die brasilianische Heimat seiner Ehefrau Tatiane (Coritiba FC, EC Vitoria) 2018 in die australische A-League. Beim Sydney FC amtiert er seit neuneinhalb Monaten als Sportdirektor.

Herr Baumjohann, am Samstag steht in der A-League das Derby zwischen den Western Sydney Wanderers und Sydney FC an. Sie haben für beide Klubs gespielt. Wie hitzig wird es?

Es wird hitzig, auch wenn das größte Spiel hier Melbourne Victory gegen Sydney FC ist. Das sind die beiden größten australischen Vereine. Aber zwischen den beiden Klubs aus Sydney herrscht auch eine große Rivalität, die Stadien sind nicht weit voneinander entfernt, auch in der Tabelle sind wir aktuell Nachbarn. Das Spiel wird mit fast 30.000 Zuschauern ausverkauft sein. Auf diese Spiele freut man sich am meisten. Und wir sind in sehr guter Form.

Sydney FC war fünfmal australischer Meister, zuletzt 2020. Aktuell steht Ihr Klub auf Platz 6 - zehn Punkte hinter Tabellenführer Wellington Phoenix. Was fehlt für mehr?

Wir sind der größte Klub in Australien, sind Rekordmeister, haben den höchsten Zuschauerschnitt und die meisten Mitglieder. Die vergangenen beiden Saisons liefen allerdings nicht gut. Deshalb haben wir uns auch früh in dieser Saison dazu entschlossen, den Trainer zu wechseln. Steve Corica war 19 Jahre im Verein: als Spieler, Jugendtrainer, Co-Trainer und zuletzt sechs Jahre als Chefcoach. Er ist eine der größten Klub-Legenden. Wir haben zwar den australischen Pokal gewonnen, der hier in Australien vor dem Ligastart gespielt wird, sind aber mit drei Niederlagen ohne eigenes Tor in die Saison gestartet und mussten die Reißleine ziehen.

Wir haben dann mit Ufuk Talay einen Coach geholt, der vorher bei Wellington Phoenix mit einem überschaubaren Budget Super-Arbeit geleistet und einen ganz anderen Ansatz hat, proaktiv spielen lässt und viel von den Spielern verlangt, vor allem gegen den Ball. Für diese intensive Spielweise muss man mehr trainieren, und es hat natürlich einige Zeit gedauert, bis sich unsere Spieler an die neue Intensität gewöhnt haben.

Wieviel geht in dieser Saison noch?

Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen, aber seit sieben, acht Wochen deutlich stärker unterwegs. Von den letzten zehn Spielen haben wir nur eins verloren. Die ersten Sechs qualifizieren sich für die Finals. Ich bin optimistisch, dass wir in der Hauptrunde noch ganz oben reinrutschen werden. Und ich hoffe, dass wir am Ende die Finals gewinnen und Meister werden. Wir sind auf dem Weg zurück zu alter Stärke und haben uns durch den Pokalsieg schon für die asiatische Champions League 2024/25 qualifiziert. Als ich hier Mitte Mai 2023 in meiner neuen Rolle anfing, waren schon 90 Prozent der Spieler des Kaders vertraglich gebunden. Da war es auch wegen des Salary Caps schwer, viel zu verändern. Wir haben aber dennoch in der ersten Transferperiode das Maximum rausholen können und das Team - von über 29 auf unter 24 Jahre im Durchschnitt - stark verjüngt.

Zur nächsten Saison haben wir eine Riesenchance, den Kader zu optimieren, weil die Verträge vieler älterer Spieler und auch die von vier Ausländern (u.a. vom Ex-Nürnberger Robert Mak, d. Red.) auslaufen. Die Mannschaft wird ein komplett neues Gesicht bekommen, mit einer Mischung aus sehr talentierten Australiern und Top-Ausländern. Dann, davon bin ich überzeugt, kann uns keiner halten, und wir werden die Liga von Anfang an dominieren.

Es wird nicht mehr lange dauern, dann ist Fußball in Australien die Sportart Nummer 1.

Alexander Baumjohann

Stagniert das Niveau der A-League inzwischen oder sehen Sie eine Entwicklung?

Hier entwickelt sich etwas Großes. Die A-League wird mehr und mehr zu einer Ausbildungs-Liga. Die Klubs haben sich lange dagegen gesträubt, aber jetzt verstanden, dass man Talenten eine Chance geben muss. Die Teams werden immer jünger, die Spiele dynamischer. Der australische Markt kommt auch immer mehr auf den Radar der europäischen Vereine. Allein vor der laufenden Saison sind mehr als 20 Spieler aus der A-League in Richtung Europa gewechselt. Zur neuen Saison startet nach Wellington Phoenix mit Auckland FC ein zweiter Klub aus Neuseeland in der A-League. Besitzer ist Bill Foley, der Owner von Premier-League-Klub Bournemouth. Perth Glory hat einen neuen Besitzer, die Newcastle Jets wollen in den nächsten Wochen einen neuen Besitzer vorstellen. Hertha-Investor 777 Partners hält Anteile an Melbourne Victory, Melbourne City gehört zur City-Group.

Es geht in die richtige Richtung. Es kommt immer mehr Kapital und Expertise in die A-League. Hier ist großes Potenzial, das noch immer bei weitem nicht ausgeschöpft wurde. Auch Canberra wird ab 2024, spätestens ab 2025 ein A-League-Standort. Ziel ist, die Liga erstmal auf 14 Teams aufzustocken und zwei Jahre später auf 16, so dass wir dann 30 Spieltage plus die Finals haben.

Wo steht der Fußball im Ranking der Sportarten in Australien?

Rugby, Australian Football und Cricket liegen noch vorn. Aber mit 2,5 Millionen Partizipanten hat der Fußball eine enorme Wucht, fast jeder zehnte Australier spielt Fußball. Der Fußball ist mehr und mehr im Kommen, er gewinnt sukzessive an Popularität. Die Medien hier versuchen, ihn klein zu halten. Sie pushen eher die traditionellen Sportarten. Aber es wird nicht mehr lange dauern, dann ist Fußball in Australien die Sportart Nummer 1.

Baumjohann: "Die Frauen-WM war der Beweis, dass Australien eine Männer-WM ausrichten kann"

Wieviel hat die Frauen-WM im vergangenen Sommer dazu beigetragen?

Sehr viel. Australien und Neuseeland haben ein perfekt organisiertes Turnier mit toller Atmosphäre und hochklassigem Sport ausgerichtet. Die "Matildas" haben einen Boom ausgelöst, der noch eine Weile anhalten wird. Wir haben mit Cortnee Vine eine Nationalspielerin bei uns im Klub, die Stammspielerin bei der WM war. Ihr Stellenwert und ihre Zugkraft sind unglaublich. Alle wollen Cortnee Vine sehen, wir können sie super vermarkten. Die Frauen-WM war auch der Beweis dafür, dass Australien eine Männer-WM ausrichten kann. Die Infrastruktur ist da und wird durch Olympia 2032 in Brisbane nochmal verbessert.

War der Viertelfinal-K.o. für Australiens Männer beim Asien-Cup zuletzt ein Rückschlag für den Fußball im Land?

Nein. Die Mannschaft hat im Viertelfinale gegen Südkorea bis in die Nachspielzeit geführt und sich als Außenseiter teuer verkauft. Das Abschneiden wurde hier nicht als Enttäuschung gewertet.

Sie sind seit Mai 2023 Sportdirektor bei Sydney FC. Vorher gab es diese Position dort nicht. Sind Sie eine Art Pionier?

Schon, ja. Die Position wurde vor dieser Saison neu kreiert. Vorher war das Organigramm so gestaltet, dass - wie in alten englischen Zeiten - der Trainer alles Sportliche entscheidet und es daneben den CEO und den Besitzer gibt. Jetzt bin ich das Bindeglied dazwischen und zuständig für das Profi-Team, das Frauen-Team und den Übergang der Akademie-Spieler in den Profibereich.

Wie sind die Rahmenbedingungen?

Es ist ein toller Lernprozess für mich, jeden Tag kommt etwas Neues auf mich zu. Ich hätte mir keinen besseren Verein für die erste Station meiner zweiten Karriere vorstellen können und habe in kurzer Zeit schon sehr viel Verantwortung und Vertrauen von den Verantwortlichen bekommen. Die Dynamiken sind im Profi-Fußball bei jedem Verein auf der Welt ähnlich, aber hier mit etwas weniger Druck, auch medial, und mehr Ruhe zum Arbeiten. Wir sind momentan dabei, die Philosophie und Identität des Klubs zu verändern und zu optimieren. Wir wollen uns noch weiter von den anderen Vereinen absetzen und weiterhin der erfolgreichste Verein Australiens sein.

Parallel wollen wir aber auch Ausbildungsverein Nummer 1 werden und durch Spielerverkäufe dafür sorgen, dass der Verein zum ersten Mal in seiner Geschichte schwarze Zahlen schreibt. Wir haben ein paar unglaublich talentierte Spieler wie Jake Girdwood-Reich und Nathan Amanatidis in unserem Kader und in unserer Akademie, denen ich eine große Karriere in Europa prophezeie.

Sie sagen über sich: "Ich will auf allerhöchstem Niveau arbeiten." Wie schnell zieht es Sie zurück in den Fußball-Kernmarkt Europa?

Im Fußball kannst du nicht vorausplanen. Wenn man mir vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass ich mal drei Jahre in Australien spiele und dann dort Sportdirektor werde, hätte ich das nicht geglaubt. Ich mache mir keinen großen Druck, bin aber sehr ambitioniert und sehe mich früher oder später in einer der Top-5-Ligen. Die Bundesliga reizt mich natürlich. Aber dadurch, dass ich mehrere Sprachen spreche, bin ich auch offen für andere Märkte. Allerdings bin ich nicht der Typ, der inmitten eines Projektes sagt: Ich bin dann mal weg. Wir haben hier bei Sydney FC noch sehr viel vor, darauf liegt aktuell mein ganzer Fokus.

Ich mache mir Sorgen um Schalke. Wer die Gefahr jetzt noch unterschätzt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Alexander Baumjohann

Ihre deutschen Ex-Klubs schwächeln. Haben Sie Angst um Schalke?

Ich habe das Magdeburg-Spiel gesehen und mache mir Sorgen, das muss ich zugeben. Vor einigen Wochen habe ich an den Turnaround geglaubt, gerade während der Wintertransferperiode. Aber inzwischen ist klar: Schalke kommt da nicht so einfach raus, es ist eine heikle Situation. Wer die Gefahr jetzt noch unterschätzt, dem ist nicht mehr zu helfen. Ich hoffe, dass Schalke die Kurve kriegt - und dann im Sommer einen Kader zusammenstellt, der konkurrenzfähig ist und um den Aufstieg mitspielen kann. Schalke muss so schnell wie möglich wieder in die Bundesliga.

Hertha BSC steht auf Platz 8 der Zweiten Liga. Ist das eine Übergangssaison?

Ja, ich denke schon. Mit dem Kader, den Hertha hat, ist wahrscheinlich nicht viel mehr als Platz 8 drin. Da ist in der Zusammenstellung auch nicht alles optimal gelaufen. Wenn man noch oben reinrutschen will, muss man Spiele wie in Braunschweig gewinnen. Und die Abhängigkeit von Fabian Reese ist schon enorm.

Baumjohann: "Mit Max Eberl wird es bei Bayern wieder ruhiger werden - und erfolgreicher"

Beim FC Bayern wurde Max Eberl am Dienstag als neuer Sportvorstand vorgestellt. Sie kennen ihn aus gemeinsamen Gladbacher Zeiten sehr gut. Ist er der Richtige, um die Großbaustelle FC Bayern in den Griff zu kriegen?

Ja, auf jeden Fall. Ich bin ein Riesenfan von Max Eberl. Er hat sehr viel Erfahrung, Expertise und ein großes Netzwerk. Was er bei Borussia Mönchengladbach über Jahre auf die Beine gestellt hat, spricht für sich. Und welchen Weg Borussia seit seinem Abgang nimmt, sieht auch jeder. Was sich Bayern wünscht, ist Ruhe - und personelle Kontinuität auf den Schlüsselpositionen. Der zuletzt herrschende Personalverschleiß - im Trainerbereich und in der Führungsetage - war nicht FC-Bayern-like. Ich traue Max Eberl zu, den Umbruch im Klub voranzutreiben und in die richtigen Bahnen zu lenken. Mit ihm wird es beim FC Bayern wieder ruhiger werden - und erfolgreicher.

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