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Entscheidung vertagt - Blatter stellt sich ins Abseits

WM 2022: FIFA will Vorwürfe prüfen

Entscheidung vertagt - Blatter stellt sich ins Abseits

Argumentierte sich mit fragwürdigen Aussagen ins Abseits: FIFA-Präsident Joseph Blatter.

Argumentierte sich mit fragwürdigen Aussagen ins Abseits: FIFA-Präsident Joseph Blatter. Getty Images

"Das Exko hat entschieden, einen Konsultationsprozess für einen WM-Termin 2022 zu starten", twitterte Blatter unmittelbar nach der Sitzung: "Vor der WM 2014 in Brasilien wird es keine Entscheidung geben." Ausschlaggebend für die Verzögerung waren Enthüllungen der britischen Zeitung Guardian gewesen, die massive Missstände auf den WM-Baustellen in Katar aufgedeckt hatte, wo Gastarbeiter anscheinend unmenschlich und wie "moderne Sklaven" behandelt werden. Allein zwischen dem 4. Juni und 8. August seien 44 nepalesische Gastarbeiter zu Tode gekommen - zur Hälfte wegen Herzversagen oder bei Arbeitsunfällen.

Blatter selbst stellte sich am Freitag mit fragwürdigen Aussagen in Bezug auf die Enthüllungen des Guardians weiter ins Abseits. "Uns tut das sehr leid, was da passiert", sagte der 77-Jährige am Freitag und ließ es dann merklich an Feingefühl missen: "In jedem Land der Welt kann es passieren, dass es Todesfälle auf Baustellen gibt, insbesondere auf WM-Baustellen." Für Blatter ist ohnehin klar, dass die FIFA keine Verantwortung trägt. Der Schweizer stellte fest, dass "die Verantwortung für die Arbeitsrechte bei den Unternehmen" liegt und betonte, dass "es dort auch viele europäische Unternehmen" gebe. Dennoch versprach er, dass die FIFA "die Augen nicht verschließen" werde, um dann aber direkt zu ergänzen, dass der Weltverband diesbezüglich nicht eingreifen könne: "Die Intervention kann nur von Katar selbst erfolgen."

WM 2022

"Ich fahre jetzt nach Katar und werde Katar auf seine Verantwortung aufmerksam machen. Wir haben aber viel Zeit, was Katar angeht, dort wird erst in neun Jahren gespielt", so Blatter weiter, schränkte aber gleich ein: "Wir haben 209 Verbände und in jedem gibt es verschiedene politische, kulturelle und soziale Organisationen und wir können in diese Sachen nicht eingreifen. Wir können nur etwas tun, wenn wir hören oder sehen, das etwas nicht klappt. Dann können wir sagen: Wir wollen helfen."

Die katarische Führungsspitze sah sich inzwischen veranlasst, eine unabhängige internationale Anwaltskanzlei mit der Aufarbeitung der Vorwürfe zu beauftragen. Auf die Ergebnisse wird nun gewartet, wohl auch ein Grund, warum das Fifa-Exekutivkomitee seine Entscheidung im Hinblick auf eine mögliche Verlegung der WM verschoben hat. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass dies ein Rückschlag für Blatter ist. Die generelle Entscheidung für ein "Winter-Märchen" in neun Jahren galt aber speziell für Blatter im Vorfeld der Sitzung des Exkos, dem auch der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger angehört, als beschlossene Sache.

Valcke soll mit allen Betroffenen eine Lösung finden - Katar bleibt cool

Katarische Fußball-Fans

WM-Vorfreude: In Katar will man "seinen Platz in der Geschichte" bekommen. imago

Doch nun scheinen sich die Widersacher des 77-jährigen Schweizers durchgesetzt zu haben. FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke wurde als Vorsitzender einer entsprechenden Kommission beauftragt, mit allen Betroffenen (Sponsoren, Vereinen, Fernsehsendern und Verbänden) eine Verlegung zu erörtern und gegebenenfalls einen optimalen Termin zu finden. Blatter hatte nie einen Hehl daraus gemacht, im November/Dezember 2022 spielen lassen zu wollen, UEFA-Chef Michel Platini sprach sich für Januar/Februar 2022 aus. Karl-Heinz Rummenigge kokettierte zuletzt in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der europäischen Klubvereinigung ECA mit einem Termin im April.

Rein rechtlich sieht Blatter kein Problem auf die FIFA zukommen. "Die offiziellen Dokumente der FIFA, die allen Kandidaten gegeben wurden, besagen, dass der Wettbewerb mit 32 Mannschaften stattfindet", erklärte der Eidgenosse: "Vermutlich, ich betone vermutlich, finden die Weltmeisterschaften im Juni/Juli statt - dass ist keine Muss-Formulierung, sondern eine Kann-Formulierung." Damit erteilte der FIFA-Präsident indirekt den möglichen rechtlichen Schritten der unterlegenen Bewerber der WM-Ausschreibung 2022 eine klare Absage. Im Zuge der Diskussion um eine Winter-WM wurde in einigen bei der Vergabe 2010 unterlegenen Nationen laut mit dem Gedanken gespielt, gegen den Weltverband zu klagen, da sich Katar schließlich für eine Sommer-WM beworben hatte.

Die Winter-Sommer-Debatte, die fast ausschließlich in Europa geführt wird, scheint die Verantwortlichen in Katar ohnehin ziemlich kalt zu lassen. Hassan Al Thawadi, Generalsekretär des WM-Organisationskomitees, sagt klipp und klar: "Dieses Thema ist für die Fußball-Gemeinschaft wichtig. Wir haben uns für eine WM im Sommer beworben - und die dafür erforschte Kühl-Technologie hat weitaus mehr Auswirkungen als nur für ein Sport-Event. Egal, was passiert - wir bleiben bei unserem Plan", sagte er. Dafür gebe es "kein Zeitlimit". Den Kataris scheint es egal, wann die WM stattfindet, Hauptsache sie findet statt. "Unsere Sehnsucht nach dem Turnier ist größer denn je. Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir die Kraft des Sports nutzen", so Thawadi: "Wir glauben an die WM und werden weiter daran arbeiten, dass der Mittlere Osten seinen Platz in der Geschichte bekommt."