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Robben-Gala: Bayern-Star rettet Hiddink vorerst

Holland präsentiert sich wieder in Spiellaune

Robben-Gala: Bayern-Star rettet Hiddink vorerst

Starker Auftritt: Arjen Robben beim Dribbling.

Starker Auftritt: Arjen Robben beim Dribbling. Getty Images

Die Stimmung war an diesem regnerischen Abend vor dem Anpfiff in der Arena auf dem Nullpunkt. "Totales Chaos" hatte die Zeitung De Volkskrant der Elftal und dem verantwortlichen Trainer im Vorfeld bescheinigt. Vor allem Hiddink hatte erheblichen Gegenwind verspürt, so als würde ein kräftiger Orkan über dem Ijsselmeer aufziehen. Selbst bei einem Erfolg gegen Lettland, so hatte eine Umfrage des De Telegraaf erbracht, sprachen sich 80 Prozent der User, die sich an der Meinungsbildung beteiligt hatten, für eine Ablösung des Coaches plädiert. Volkes Stimme verlangt: Im nächsten Qualifikationsspiel gegen die Türkei im kommenden Jahr soll ein neuer Bondscoach auf der Bank sitzen.

Deshalb ist davon auszugehen, dass die Diskussionen über den alternden Startrainer auch über die Jahreswende nicht abflauen. Ganz unschuldig ist Hiddink daran nicht. "Ich bleibe in Diensten des KNVB", sagte er. In welcher Funktion verriet er dabei nicht. "Ich kann nicht in seinen Kopf schauen, meiner Meinung nach kann es in alle Richtungen gehen", sagte Robben. Hiddink bleibt also im Gerede und die Zukunft des niederländischen Fußballs weiterhin im Ungewissen, wenngleich im letzten Spiel des Jahres ein Hoffnungsschimmer zu registrieren war.

EM-Qualifikation - 4. Spieltag
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EM-Qualifikation - Tabelle - Gruppe A
Pl. Verein Punkte
1
Tschechien Tschechien
12
2
Island Island
9
3
Niederlande Niederlande
6

Robben führt die Elftal an

Allen voran der überragenden Robben war dafür verantwortlich und präsentierte sich in WM-Form. Zwei Treffer erzielt, ein Tor vorbereitet, einen Lattenknaller verbucht sowie mehrere unwiderstehliche Soli und Einlagen präsentiert - der Münchner begeisterte einmal mehr wie bei seinen Gala-Auftritten in Brasilien.

Angeführt von dem Bayern-Star glückte der niederländischen Nationalelf die bisher beste Leistung in der Qualifikation zur Europameisterschaft. Oranje machte zudem den ersten Schritt aus der Krise: 6:0 gewann die Elftal in einer einseitigen Begegnung gegen ein hoffnungslos unterlegenes Lettland. Sicherlich ein Pflichtsieg, indes mit glanzvollen Momenten, einer sehr ansehnlichen spielerischen Leistung in taktischer Ausrichtung und sogar zeitweisem Zauberfußball.

Nach vier Niederlagen zum Auftakt seiner zweiten Amtsperiode gelang Hiddink, der im Falle eines Misserfolgs seinen freiwilligen Rücktritt angekündigt hatte, der zweite Sieg in der sechsten Partie. Nach den Rückschlägen gegen Tschechien (1:2) und Island (0:2) sowie dem 3:1 gegen Kasachstan steht der zweite Dreier in einem Pflichtspiel zu Buche, was zumindest kurzfristig einem Befreiungsschlag gleichkommt. Obwohl der WM-Dritte in der Qualifikationsgruppe A weiterhin Rückstand auf die Mitbewerber Island und Tschechien aufweist, konnte die Chance gewahrt werden, das Ticket für Frankreich 2016 zu lösen.

In der Amsterdam Arena waren frühzeitig alle Befürchtungen zerstört, es könnte eine Sensation durch den 99. der Weltrangliste aus dem Baltikum geben. Mit einem Kopfball nach herausragender Vorarbeit durch Robben markierte Robin van Persie die frühe Führung (5.). Der glänzend aufgelegte Robben mit einem Schlenzer (35.) und Klaas-Jan Huntelaar (42.) bauten diese noch vor der Pause aus, so dass der Sieg nie in Gefahr geriet. Nach dem Wechsel wirbelten die Holländer und kamen durch den früheren HSV-Profi Jeffrey Bruma (78.), den sich in einen Rausch steigernden Robben (82.) und abermals Huntelaar (89.) zu weiteren Torerfolgen.

In dem von ihm selbst inszenierten Schicksalsspiel setzte der umstrittene Hiddink auf die totale Offensive. Erstmals seit den Tagen der Euro 2012 standen mit van Persie und Huntelaar, die seit jeher in herzlicher Abneigung verbunden sind, zwei Mittelstürmer in der Anfangsformation. Das ungleiche Duo agierte nicht, wie erwartet, in einer Doppelspitze.

Hiddinks "totale Offensive" geht voll auf

Jubelpose: Klaas-Jan Huntelaar.

Jubelpose: Klaas-Jan Huntelaar. Getty Images

Hiddink ließ in einem 4-2-3-1-System operieren. Also in dieser Grundordnung: Der Schalker Huntelaar in der Spitze, dahinter als Regisseur van Persie, Robben auf dem rechten, Ibrahim Afellay auf dem linken Flügel. Geballte Offensivpower, um Holland wieder in die Spur zu bringen. Zumal mit dem tief stehenden, sich in dieser Rolle wohlfühlenden Wesley Sneijder, der mit dem früh wegen einer Kopfverletzung ausgewechselten Daley Blind die Doppelsechs bildete, der eigentliche Spielmacher noch weit hinten postiert war. Auch Bruma stand in der Startelf. Der frühere HSV-Profi, mit einer sehr souveränen Vorstellung, ersetzte den an einer Wadenverletzung laborierenden Ron Vlaar, während bei Lettland der aktuelle HSV-Profi Artjoms Rudnevs erst in der Schlussphase eingewechselt wurde.

"Die Spannung vor dem Spiel hat meiner Mannschaft sehr gut getan", kommentierte Hiddink nach dem souveränen Auftritt der Elftal: "Meine Spieler waren sehr motiviert und haben so gespielt, wie es immer sein sollte." Lobende Worte fand der Bondscoach auch über das Experiment, van Persie und Huntelaar gemeinsam aufzustellen. Diese könne durchaus wiederholt werden, allerdings müsse dann das Mittelfeld defensiver eingestellt sein. Auf die Frage, ob er noch einmal eine Rücktrittsdrohung aussprechen würde, wollte Hiddink zunächst nicht eingehen. "Ich spreche nur über das heutige Spiel", sagte der Fußballlehrer, um dann doch zuzugeben: "Ich werde es zukünftig nicht mehr machen."

Hans-Günter Klemm