Champions League

Ironmen für einen Tag oder Befreiungsschlag?

Schalke: Mourinhos ungewöhnliches Lob - Keller fleht Boateng an

Ironmen für einen Tag oder Befreiungsschlag?

Brust raus, Bauch rein: Schalke feiert das Remis an der Stamford Bridge.

Brust raus, Bauch rein: Schalke feiert das Remis an der Stamford Bridge. getty images

"Wahnsinnig stolz", "großer Sport", "von allen ein unglaubliches Spiel" - Keller war schlicht begeistert von seiner Mannschaft nach dem überraschenden Punktgewinn an der Stamford Bridge. In der Tat war damit kaum zu rechnen. Man denke nur an den schwachen Auftritt in Gladbach (1:4) und die katastrophale Personalsituation in der Abwehr. Mit Kapitän Höwedes brach zu Wochenbeginn auch noch das wichtigste Element aus der Stamm-Defensive weg .

Wie sollte S04 unter diesen Bedingungen etwas reißen an der Stamford Bridge? Gegen eine Mannschaft, die alle vier bisherigen Premier-League-Spiele gewonnen und dabei satte 15 Tore geschossen hatte? Die Ausnahmekönner im Format eines Fabregas oder Hazard (Diego Costa wurde zunächst geschont) in ihren Reihen weiß? Keller musste sich etwas einfallen lassen - und zog alle Register. Im Teamhotel ließ er einen Film über den "Ironman", das populäre Triathlon-Event, vorführen. Leidenschaft, Hingabe, Einsatz, das wollte Keller sehen. In der Innenverteidigung hatte er die Qual der Wahl zwischen dem auf großer Bühne erfahrenen, aber in der Innenverteidigung unerfahrenen Neustädter und dem jungen Friedrich, bei dem es sich genau umgekehrt verhält.

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Er setzte auf Neustädter, und der gelernte Sechser machte seine Sache gut. Viel Praxisnähe brachte er nicht mit - die vermittelte ihm einst aber ausgerechnet der Trainer des Erzrivalen aus Dortmund. "Ich habe die Position schon mal in Mainz unter Jürgen Klopp einstudiert. Ich habe damals zwar nicht gespielt, aber ein Jahr lang als Innenverteidiger trainiert", erklärte Neustädter via S04-Website. Dem gelernten Innenverteidiger Keller fehlte dazu schlicht die Zeit. "Der Trainer hat mir nur kurz gesagt, dass ich hinten spiele, das war's. Ich hab die Position angenommen, und wir haben einen guten Mannschaftsgeist gezeigt."

Dieser Mannschaftsgeist, gepaart mit den "Ironman"-Attributen Leidenschaft und Kampfkraft, hielt die Königsblauen am Leben. Auch nach dem frühen 0:1 (11.), das zu allem Ärger nicht hätte zählen dürfen. Dem Treffer ging ein klares Foul des Torschützen Fabregas an Meyer voraus. "Ich weiß auch nicht, wieso der Schiedsrichter da kein Foul gegeben hat. Ich habe nur mitbekommen, dass Fabregas mit dem gestreckten Bein vorangegangen ist. In der Bundesliga gibt es sogar die Gelbe Karte dafür", befand der seit heute 19-Jährige. "Aber da kann man nichts machen. Das Team hat gut reagiert und nicht aufgegeben."

Er hatte unglaubliche Schmerzen. Aber ich habe ihn angefleht, dass er durchhält.

Jens Keller über Kevin-Prince Boateng

Stellvertretend dafür stand Boateng. Ausgerechnet Boateng, ist so mancher geneigt zu sagen. Gerade der vermeintliche Leader stand zuletzt in Sachen Einstellung hart in der Kritik, häufig wirkte er in dieser Saison lust- und antriebslos auf der Sechserposition. Doch diesmal biss Boateng die Zähne zusammen - auch für Keller. "In der Halbzeit sah es so aus, als müsste er ausgewechselt werden. Er hatte unglaubliche Schmerzen. Aber ich habe ihn angefleht, dass er durchhält", verriet Keller. Es sollte sich lohnen: Draxler und Huntelaar, neben dem jungen Ayhan in der Abwehr die herausragenden Akteure bei S04, gelang in Koproduktion der Ausgleich (62.), ehe nochmal das große Zittern begann. Neustädter (76.) und Fuchs (90.) retteten auf der Linie, dazwischen zeigte Fährmann gegen Hazard (84.) sein ganzes Können - dann war Schluss an der "Bridge".

Für Draxler war noch mehr drin - Huntelaar stolz auf die Jungen

Linientreu: Christian Fuchs rettet kurz vor Schluss in höchster Not.

Linientreu: Christian Fuchs rettet kurz vor Schluss in höchster Not. getty images

Und bei Schalke begann der große Jubel. "Die Freude über den Punkt ist sehr groß", räumte Draxler ein. "Ich denke, ein Sieg wäre mit bisschen mehr Glück auch möglich gewesen, aber ob er dann auch verdient gewesen wäre, sei mal dahingestellt. Man darf nicht vergessen, dass Chelsea noch die eine oder andere Chance hatte." Huntelaar ergänzte: "Am Anfang war es nicht so gut, da hat man gesehen, dass die Mannschaft noch ein bisschen verunsichert ist. Wir haben eine junge Mannschaft, aber ich bin stolz, wie wir das gemacht haben."

Was dieses Erfolgserlebnis wert ist, bleibt abzuwarten. Schon einmal in dieser noch jungen Saison hoffte man bei Schalke auf einen Wendepunkt. Nach Pokal-Aus in Dresden und Auftaktpleite in Hannover sprang gegen den FC Bayern ein 1:1 heraus.

Was folgte, war der Offenbarungseid in Gladbach. Vorsicht ist also die Mutter der Schalker Porzellankiste, das ist den Worten Neustädters deutlich zu entnehmen. "Wir werden am Samstag gegen Frankfurt sehen, ob es ein Befreiungsschlag war. Wir müssen Spiel für Spiel alles abrufen. Nur so geht es."