Champions League

Robin Hood, bloß umgekehrt

Die Schattenseiten von Atletico Madrid

Robin Hood, bloß umgekehrt

Rot-Weiß mit Schatten: Atletico Madrids Erfolg 2014 hat nicht nur ehrenhafte Gründe.

Rot-Weiß mit Schatten: Atletico Madrids Erfolg 2014 hat nicht nur ehrenhafte Gründe. Getty Images

"Das ist schier unglaublich", sagt Torwart Thibaut Courtois im kicker-Interview, "besser und wunderbarer als ein Märchen." Dass Atletico Madrid in der Meisterschaft die beiden Großen, den FC Barcelona und Real Madrid, hinter sich gelassen hat und sich nun sogar anschickt, die Champions League zu gewinnen, lädt in der Tat zu besonderen Vergleichen ein und hat dem Traditionsklub aus der spanischen Hauptstadt Fans in aller Welt beschert. Zum Beispiel in Baku.

Baku ist die Hauptstadt von Aserbaidschan, und "Aserbaidschan" prangt seit Januar 2013 über dem Slogan "Land of Fire" auf den Trikots Atletico Madrids. Es ist ein Sponsoring-Deal, der den "Colchoneros" acht bis zwölf Millionen Euro einbringt und weitere Kooperationen wie Freundschaftsspiele beinhaltet, den aber selbst etliche Anhänger kritisch sehen. "Feuer" ist schließlich nicht zwingend das erste, was man mit Aserbaidschan verbindet.

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Simeone Diego Pablo

Atletico Madrid - Vereinsdaten
Atletico Madrid

Gründungsdatum

26.04.1903

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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Das Land aus Vorderasien gilt als autokratisch bis diktatorisch, Organisationen wie "Amnesty International" werfen ihm zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vor, beispielsweise beim Umgang mit regierungskritischen Personen. Viele Menschen leben in Armut. Inzwischen hat die Staatsführung, die voriges Jahr den "Eurovision Song Contest" pompös austrug, auch den Sport entdeckt, um ein ganz anderes Bild zu zeichnen. Baku bewarb sich (vergebens) für Olympia 2020, könnte Austragungsort bei der EM 2020 sein und beherbergt die 2015 erstmals stattfindenden Europaspiele. Und dann ist da noch Atletico.

"Mehr als Sponsoring": Atletico will Aserbaidschans Image "fördern"

Der Arbeiterklub hält den Vertrag für "viel mehr als Sponsoring" und schreibt auf seiner Website ungeniert, dass es darum gehe, "das Image von Aserbaidschan zu fördern". Wie das konkret aussehen kann, verrät ein anderes Dokument: In einem digitalen Loblied vom November 2013 empfiehlt Atletico spanischen Unternehmen wärmstens Investitionen in Aserbaidschan. Regelmäßig ist die Mannschaft um Torjäger Diego Costa zudem in Baku zu Besuch.

Dass Atletico Madrid die Gelder aus Aserbaidschan gut gebrauchen kann, ist eine andere Geschichte, viel rühmlicher ist sie nicht. Inoffiziell ist der spanische Meister mit 536 Millionen Euro verschuldet, allein die Steuerschuld beträgt geschätzte 220 Millionen Euro (Zinsen inklusive) - das ist einsame Spitze in der Primera División. Atleticos hochdekorierte Handball-Abteilung fiel der Misswirtschaft 2013 bereits zum Opfer.

Atletico finanzierte Stars, auch indem es zu wenige Steuern zahlte

Seit 2012 zahlt Atletico die Schulden in Raten ans Finanzamt zurück, 50 Millionen Euro sollen schon überwiesen worden sein. Der aktuelle Etat liegt mit 120 Millionen Euro zwar weit unter dem von Barça oder Real; der "Robin Hood" des spanischen Fußballs, wie Mittelfeldspieler Tiago findet, ist der Verein aber deshalb noch lange nicht. Von den Reichen nehmen, um es den Armen zu geben? Atletico machte es über Jahre genau umgekehrt. Auch indem man zu wenige Steuern entrichtete, wurden teure Stars finanziert. "Eigentlich war das betriebswirtschaftlich verantwortungslos", gab der geschäftsführende Vorstand Miguel Angel Gil später zu.

Europa-League-Triumph 2012, Pokalsieg 2013, Meisterschaft 2014: Mit "Einsatz, Kampf, Opferbereitschaft" hat Trainer Diego Simeone fast Unmögliches geschafft, seit er an Weihnachten 2011 Atletico im grauen Tabellenmittelfeld übernahm. Gegen Real Madrid winkt am Samstag (20.45 Uhr, LIVE! bei kicker.de) Europas Thron. Es wäre ein sportliches Märchen, "ein Sieg der kleinen Leute in diesen Krisenzeiten", wie Verteidiger Filipe Luis sagt, dagegen eher nicht.