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Mentalität und Breite: Belgiens wichtige Lehren

Martinez' Joker sorgen für die Wende

Mentalität und Breite: Belgiens wichtige Lehren

Jubelkreis nach dem 3:2: An Belgiens Aufholjagd gegen Japan hatten Marouane Fellaini und Nacer Chadli (o.) großen Anteil.

Jubelkreis nach dem 3:2: An Belgiens Aufholjagd gegen Japan hatten Marouane Fellaini und Nacer Chadli (o.) großen Anteil. Getty Images

Vier Tore hat Romelu Lukaku bei der WM 2018 bislang erzielt. Im Halbfinale gegen Japan war dem bulligen Angreifer von Manchester United ein fünfter Treffer, durch den er zu Harry Kane in der Torschützenliste aufschließen würde, nicht vergönnt. Und doch hatte Lukaku einen großen Anteil an Belgiens Last-Minute-Treffer gegen die Samurai Blue am Montagabend. Obwohl er den Ball nicht berührt hatte.

Lukakus großer Anteil

Es lief die vierte Minute der Nachspielzeit, als Japan in einem phasenweise packenden und intensiven Match noch einmal einen Eckball bekam. Entkräftet und müde hatten die Japaner ihren Standard mit nur zwei Spielern an der Mittellinie abgesichert. Die Hereingabe fing Torhüter Thibaut Courtois, erkannte die Chance und warf den Ball schnell zu Kevin De Bruyne, der Fahrt aufnahm. Nun rollte der Konter an und Lukaku übernahm eine Schlüsselrolle. In Höchstgeschwindigkeit rannte der 25-Jährige vom rechten Flügel nach innen, zog seinen Gegenspieler mit sich und machte damit den Weg für Thomas Meunier, der die Kugel inzwischen zugepasst bekommen hatte, frei. Der sprintete völlig unbewacht bis zum rechten Strafraumeck. Sein Pass vor das Tor hätte den nach vorne stürmenden Lukaku perfekt bedient - doch der hatte eine andere Idee, ließ den Ball passieren, narrte damit seine Gegenspieler und eröffnete Nacer Chadli in seinem Rücken die Möglichkeit, den Konter aus kurzer Distanz zum erlösenden 3:2 abzuschließen.

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Die Geschichte des Abend schreiben die Joker

"Lukaku hat in elf Spielen für Belgien 17 Tore erzielt. Aber seine Entscheidung, bei dieser Gelegenheit nicht zu schießen, könnte wichtiger sein als alles andere", urteilte die "BBC". Mit seinem Lauf und seinem "Schuss-Verzicht" hatte Lukaku den Weg für das späte Glück Belgiens geebnet - die Geschichte des Abends aber den Jokern von Trainer Martinez überlassen.

Denn diese hatten Belgien nach einem echten Schock in der zweite Hälfte noch das Weiterkommen gerettet. Es war ein Doppelschlag von Genki Haraguchi (48.) und Takashi Inui (52.), der Japan mit zwei Toren in Führung brachte und Belgien plötzlich an den Rande des Ausscheidens drängte. "So ist das bei einer WM", sagte Martinez. "Du wirst richtig unter Druck gesetzt."

Weiterentwicklung seit dem Viertelfinal-Aus 2014?

Roberto Martinez, Nacer Chadli

"Das Team wieder in die Spur bringen": Belgiens Roberto Martinez spricht mit Nacer Chadli kurz vor dessen Einwechslung. Getty Images

Eine Bewährungsprobe stand nun an und mit ihr die Frage, ob Belgien vier Jahre nach dem bitteren 0:1 gegen Argentinien im WM-Viertelfinale einen Schritt weiter in seiner Entwicklung sein würde. Martinez sah sich zunächst dazu veranlasst, von außen einen Impuls zu setzen. In der 65. Minute brachte der Spanier Marouane Fellaini und Chadli in die Partie und damit den erhofften Anstoß zur Wende. Denn Fellaini agierte nun im rechten Halbraum und in vorderster Linie als eine Art Rammbock. Chadli stürmte über den linken Flügel.

Am glücklichen Anschlusstreffer durch Jan Vertonghen hatte das Duo zwar noch keinen direkten Anteil. Vier Minuten später jedoch übersprang Fellaini die japanische Defensive und wuchtete einen Kopfball zum 2:2-Ausgleich ins Tor. "Die Wechsel haben sich ausgezahlt. Wir haben 23 Spieler in unserer Mannschaft. Wenn es Spieler gibt, die langsam müde werden, sind andere bereit, das Team wieder in die Spur zu bringen. Das hat der Coach mir und Marouane auf den Weg gegeben", beschrieb Chadli Martinez' Worte kurz vor seiner Einwechslung gegenüber dem belgischen "Sport Voetbal Magazine".

Wenn es 0:2 steht, denkst du für eine Weile, dass es vorbei ist.

Thomas Meunier

Es war vielleicht Belgiens wichtige Lehre an diesem Abend. So stark die erste Elf der Roten Teufel auch ist - die zweite Garde ist ebenfalls im Stande, wichtige Akzente zu setzen. So war es im abschließenden Gruppenspiel gegen England, für das Martinez alle zehn Feldspieler austauschte, schon Adnan Januzaj gewesen, der das Siegtor erzielt hatte. Diesmal verhalfen die Wechsel sogar zum Aufholen eines Zwei-Tore-Rückstands. Die Kaderbreite stimmt. Und auch die Mentalität.

Martinez kann "nichts Negatives sagen"

"Wenn es 0:2 steht, denkst du für eine Weile, dass es vorbei ist. Aber wir mussten gewinnen. Du musst in der Lage sein, solche schwierigen Momente zu überwinden und wir haben das getan", sagte Meunier. Martinez schlug in dieselbe Kerbe. "Es gibt heute nichts Negatives zu sagen. Es ging nur darum, weiterzukommen. Heute ist ein Tag, an dem ich auf die Spieler stolz bin." Historisch war der Tag obendrein: Erstmals seit der WM 1966 war es einem Team gelungen, nach einen Zwei-Tore-Rückstand noch zu einem Sieg in der regulären Spielzeit zu kommen (damals gewann Portugal gegen Nordkorea nach einem 0:3 noch mit 5:3).

Im Viertelfinale steht Belgien nun aber eine weitere große Herausforderung bevor: Brasilien. "Für jeden Fußballer ist das ein Traum", betonte Eden Hazard, der durchaus Positives im Spielverlauf gegen Japan erkennen konnte. "Vielleicht brauchten wir so ein Spiel wie heute. Uns ist bewusst geworden, dass wir ganz schnell ausscheiden können."

pau