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Julian Wießmeier - Rieds Allrounder mit dem Hang zu Toren

Hält Rieds Heimrekord gegen Rapid?

Julian Wießmeier - Rieds Allrounder mit dem Hang zu Toren

Rieds Mann für fast alle Positionen: Julian Wießmeier.

Rieds Mann für fast alle Positionen: Julian Wießmeier. GEPA pictures

Universalgenie, Taudendsassa, Generalist - nein, als Synonym für das Wort "Allrounder" bekommt man "Wießmeier" von den diversen Internet-Wörterbüchern noch nicht vorgeschlagen. Aber füttert man Fußball-Datenbanken mit seinem Namen, poppen gleich zehn Positionen auf, die Julian Wießmeier in seiner Karriere schon bekleidet hat.

16. Spieltag

"Angefangen habe ich als hängende Spitze oder Zehner", bestätigt der gebürtige Nürnberger, der seit 2017 für die SV Ried marschiert, "im Erwachsenen-Fußball war ich bald Rechts- und Linksaußen, auch als Achter hab' ich gespielt, als offensiver Sechser, bis ich in Ried zum Rechtsverteidiger und zuletzt sogar Linksverteidiger wurde", erinnert die Aufzählung des 29-Jährigen fast schon an die Szene in "Forrest Gump", in der Bubba alle möglichen Shrimps-Variationen aufzählt.

Die Kunst des rechten Verteidigens

Die Idee, den torgefährlichen Mittelfeldspieler als rechten Verteidiger zu probieren, hatte Ex-Trainer Andy Heraf, als er noch Co-Trainer in der 2. Liga war. "Unsere zwei Rechtsverteidiger waren gesperrt, da hat er gemeint, ich könnte das auch spielen." Als Julian gefragt wurde, meinte er nur: "Ja, klar!" Und stellte es unter Beweis. "Für mich ist es wichtig zu spielen und meine Leistung zu bringen. Die Position ist sekundär." Wenn er könnte, wie er wollte, würde er sich allerdings "schon offensiver" aufstellen. "Weil ich ja auch torgefährlich bin." Aber auch, dass er von jeder Position aus Tore schießen kann, hat er schon bewiesen. In dieser Saison sogar ganz besonders spektakulär gegen den WAC, als er die Innviertler nach 0:3-Rückstand mit einem Doppelpack noch zu einem 3:3 führte.

Für die neue Position das Verteidigen zu lernen, war gar nicht die große Schwierigkeit. "Lauffreudig war ich immer schon, das ist mein Naturell. Am schwierigsten war es, die richtige Balance zu finden, wann ich mit nach vorne gehen soll und wann nicht." Mittlerweile füllt er die Rolle bestens aus. "Jetzt spiele ich doch schon fast eineinhalb Jahre auf dieser Position. Wenn man nicht zufrieden wäre, hätte es ja schon genug Möglichkeiten gegeben, Alternativen zu finden." Seinen Offensivdrang lässt er sich sowieso nicht nehmen, auch nicht als Verteidiger. "Ich tauche schon ein, zwei Mal pro Spiel im Strafraum auf."

Wunderkind bei Weltmeistern

Bevor Julian Wießmeier zum Allrounder wurde, war er sogar ein "Wunderkind". Zumindest für die Presse. "Ich selbst habe mich nie als Wunderkind gefühlt." Auch nicht mit 18, als er gleich bei seinem ersten Bundesligaeinsatz für den "Club" ein Tor erzielte - als drittjüngster Spieler der "Club"-Geschichte. "Das war natürlich ein super Gefühl und ist heute eine tolle Erinnerung." Aber mehr als neun Bundesligaspiele sind es letztlich doch nicht geworden.

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Dabei spielte Wießmeier im U-20-Nationalteam mit späteren Weltmeistern wie Christoph Kramer oder Shkodran Mustafi. Als diese zwei Jahre später den WM-Pokal stemmten, kickte er für Nürnbergs Amateure in der Regionalliga. "Da gab es schon die Momente, in denen man sich die Frage gestellt hat, was gewesen wäre, wenn", gibt er zu. "Wo wäre man, wenn man andere Entscheidungen getroffen, einen anderen Wechsel gemacht hätte? Aber jetzt bin ich okay damit. Es ist so. Es ist schön, dass ich mit solchen Leuten einmal zusammengespielt habe. Es zeigt, dass man eine gewisse Qualität hat. Aber jeder muss seinen Weg gehen. Ich bin zufrieden mit meinem, ich spiele in der österreichischen Bundesliga, das kann auch nicht jeder von sich behaupten."

Bachelor in der Bundesliga

Über Regensburg, Wiesbaden und eben die Nürnberg Amateure ist er 2015, auf Empfehlung seines Trainers (und Ex-Lustenauers) Roger Prinzen, zur Austria Lustenau gewechselt. "Nachdem es keine Signale gab, dass es für mich noch einmal nach oben in die Bundesliga gehen könnte, hab' ich mir gedacht, ich schau's mir mal an." Nach der ersten Saison haben die anderen geschaut. Wießmeier hatte 15 Tore erzielt und wurde als "bester Spieler der Saison" ausgezeichnet. Mit der Bundesliga sollte es dennoch erst 2020 klappen.

Da hatte er längst seinen Bachelor in Sportmanagement in der Tasche. "Man weiß ja nie, wie es im Fußball läuft", hatte Julian bereits bei den Nürnberger Amateuren mit dem Fernstudium begonnen. Irgendwann will er das Gelernte auch in der Praxis umsetzen. "Als Sportdirektor eine Mannschaft zusammenstellen, würde mir schon gefallen, aber ich habe vor, noch ein paar Jahre zu spielen", hält er sich in Ried mit eigenen Ideen noch zurück.

Auch was die zuletzt viel diskutierte Spielidee der Rieder angeht. "Klar will man als Fußballer viele Tore schießen. Aber wir wissen auch, dass im Leistungsfußball die Ergebnisse und Punkte zählen. Es bringt nix, schön zu spielen und dauernd zu verlieren. Also ist es unser erstes Ziel, Ergebnisse zu liefern. Darauf aufbauend kann man dann versuchen, das Spiel zu verbessern", sieht er keinen Widerspruch in den Herangehensweisen von Andy Heraf und dessen Nachfolger Christian Heinle "Wir waren unter Heraf ziemlich erfolgreich, aber wir haben auch jetzt unsere Punkte gesammelt."

Heimserie verteidigen

So viele, dass die Rieder sogar in die Meisterrunde kommen? "Zu Saisonbeginn haben wir gesagt: Wenn wir die Top sechs schaffen, ist es super. Weil damit schon der Klassenerhalt geschafft wäre. Jetzt sagen wir uns, wenn wir da oben sind, wollen wir uns auch so lange wie möglich dort halten. Die Chance ist da. Aber wir wissen auch, dass jedes Spiel wichtig ist und wir weiterhin Spiele gewinnen müssen. Denn wir haben vor ein paar Wochen auch gesehen, wenn du einmal zwei, drei Spiele nicht gewinnst, dass du in dieser engen Liga auch gleich einmal fast Letzter bist."

Mit der wiedergefundenen Rieder Heimstärke traut Julian Wießmeier seiner Mannschaft auch gegen Rapid wieder einen Punktegewinn zu. "Wir werden natürlich schauen, dass die Heimserie weitergeht", hofft er auf ein ähnliches Erfolgserlebnis wie bei seinem bisher einzigen Heimspiel gegen Rapid. "Das haben wir im Vorjahr 4:3 gewonnen. Leider auch damals ohne Zuschauer."

Dass er als rechter Verteidiger diesmal ganz besonders gefordert werden wird, weiß er auch: "Da wird wohl Marco Grüll mein direkter Gegenspieler sein. Ich habe zweieinhalb Jahre mit ihm gespielt, ich weiß, welche Qualität und welches Tempo er hat. Das hat er ja auch schon bei Rapid gezeigt. Auf dem Platz werden wir uns nichts schenken, aber nach dem Spiel werden wir uns sicher wieder die Hand geben."

Horst Hötsch