Conference League

Eintracht Frankfurt: Götze, Skhiri und die Führungsfrage

Toppmöller wünscht sich eine "ordnende Hand"

Götze, Skhiri und die Frankfurter Frage nach dem "Leadership"

Wer gibt die Kommandos? Ellyes Skhiri (Mi.) und Mario Götze (re.) haben Redebedarf.

Wer gibt die Kommandos? Ellyes Skhiri (Mi.) und Mario Götze (re.) haben Redebedarf. IMAGO/HMB-Media

Aus Brüssel berichtet Julian Franzke

Wie schon am 18. Spieltag in Darmstadt (2:2) genügte ein Gegentor, um die Eintracht völlig aus dem Konzept zu bringen. Auch damals führte die SGE vermeintlich komfortabel mit 2:0, bevor individuelle Fehler von Kevin Trapp und Tuta den Sieg kosteten.

In Anderlecht deutete zunächst ebenfalls alles auf einen ungefährdeten Auswärtssieg hin. Frankfurt schoss zwei frühe Tore, dominierte die erste halbe Stunde und überrumpelte den Tabellenführer der belgischen Liga immer wieder mit schnellen Bällen hinter die Kette.

Trainer Dino Toppmöller hatte seine beste Elf aufs Feld geschickt und auch eine nachvollziehbare Grundordnung (3-4-3) gewählt. Eine reife, abgeklärte Mannschaft hätte dieses Spiel nicht mehr aus der Hand gegeben.

Fällt ein Dominostein, fallen alle

Doch bei der Eintracht verhält es sich in diesen Tagen ähnlich wie beim Spiel mit Dominosteinen: Fällt einer um, fallen alle. Gegen Saint-Gilles war ausgerechnet der routinierte Sechser Ellyes Skhiri der erste Dominostein, der wankte und umkippte. Sein katastrophaler Ballverlust brachte die Gastgeber nach einer halben Stunde zurück ins Spiel.

Natürlich kann man bemängeln, dass sich Omar Marmoush nicht in der Tiefe anbot, als Niels Nkounkou auf der linken Seite den Ball am Fuß hatte. Der Rückpass auf Skhiri war deshalb nachvollziehbar. Ein Tor darf aus einer solchen Situation heraus trotzdem nie und nimmer fallen.

Gleichwohl wäre das 1:2 verschmerzbar gewesen, wenn im Anschluss nicht auch alle anderen Dominosteine umgefallen wären. Dass eine international erfahrene Mannschaft wie Eintracht Frankfurt derart in sich zusammenstürzt, ist nicht leicht zu erklären. Sportvorstand Markus Krösche analysiert die Defizite gewohnt deutlich. "Wir haben immer wieder ins Pressing gespielt und uns so das Leben schwergemacht. Wir hätten einfach den Weg weitergehen und mit Tempo hinter die Kette kommen müssen", resümiert der 43-Jährige.

Wir schaffen es noch nicht, eine Killer-Mannschaft zu sein.

Sebastian Rode

Doch die Überzeugung sei verloren gegangen. Krösche moniert: "Du musst schauen, dass du nicht immer die Stärken des Gegners bedienst, sondern die Räume nutzt. Das hat etwas mit Entscheidungsverhalten und einer gewissen Ruhe in den Situationen zu tun. Man muss sich nicht auf so einen Schlagabtausch einlassen."

Sebastian Rode verweist zu Recht darauf, dass "gestandene Bundesliga-Profis" auf dem Feld stehen. "Wir müssen stabiler sein und dürfen uns nicht verrückt machen lassen", betont der Kapitän. Zerknirscht stellt er fest: "Wir schaffen es momentan noch nicht, eine Killer-Mannschaft zu sein."

Die Probleme sind erkannt, aber nicht gebannt. Das führt unweigerlich zu der Frage, wo eigentlich die vermeintlichen Führungsspieler sind, wenn sie in kritischen Situationen gefragt sind. Im Erfolg kann jeder ein Häuptling sein.

Mario Götze ist das Paradebeispiel für fehlende Führung, wenn es brenzlig wird. Der 31-jährige Mittelfeldspieler überzeugte in der Anfangsphase, als er im Mittefeld an Skhiris Seite die Fäden zog und immer wieder kluge Bälle spielte. Doch je besser Saint-Gilles ins Spiel kam, desto weniger war von Götze zu sehen - eine Parallele zum Spiel in Darmstadt. Gleiches gilt für Skhiri, der ohnehin einen rabenschwarzen Tag erwischte und auch beim zweiten Gegentreffer schlecht aussah.

Es geht um Kommunikation und Leadership.

Dino Toppmöller

Auch Toppmöller fordert mehr Führung und bemängelt, dass die Spieler auf dem Platz zu sehr "mit sich selbst" beschäftigt seien. Der Coach erklärt: "Gerade im zentralen Mittelfeld haben wir zwei Spieler, die Erfahrung haben und die jungen Spieler sowohl im Pressing als auch in Ballbesitz anleiten und korrigieren müssen. Es geht um Kommunikation und Leadership auf dem Platz. Ich erwarte, dass sie das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Es stehen viele junge Spieler auf dem Platz, da wäre eine ordnende Hand wichtig."

"Sehr ärgerlich": Rode spricht Klartext

alle Videos in der Übersicht

Toppmöller fordert, künftig einen "kühlen Kopf" zu bewahren und "den Plan weiter zu verfolgen". Dann werde die Eintracht solche Spiele auch für sich entscheiden. Götze nahm er bereits in der 65. Minute vom Platz, um Rode zu bringen. Der 33-Jährige ist nach seiner langen Verletzungspause in der Hinrunde aber noch nicht wieder ganz der Alte. Trotzdem könnte er als Anführer im weiteren Saisonverlauf noch eine sehr wichtige Rolle einnehmen.

Ein zunehmendes Problem haben die Hessen auch im Tor, wo Trapp längst nicht mehr so stabil ist wie in früheren Jahren. Dem Nationalkeeper unterlaufen in dieser Saison ungewohnt viele kleinere und größere Fehler. Diesmal kam er vor dem 2:2 zu zögerlich heraus.

Eine Prognose für den weiteren Saisonverlauf fällt schwer

Es handelte sich zwar nicht um einen groben Patzer, in Bestform hätte er den Ball aber vermutlich energisch weggefaustet. So stand Trapp am Ende einer langen Fehlerkette. Ansgar Knauff, Aurelio Buta, Skhiri und Robin Koch hätten das 2:2 ebenso verhindern können.

Eine Prognose für den weiteren Saisonverlauf fällt weiterhin schwer - und gleicht einem Blick in die Glaskugel. Gelingt es, die krassen individuellen Fehler zu minimieren? Übernehmen die erfahrenen Spieler endlich mehr Führung, damit die Mannschaft nach Rückschlägen nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt?

Schafft es das Team, das dynamische Offensivspiel der ersten halben Stunde über einen längeren Zeitraum auf den Platz zu bringen? Oder schlittert die Eintracht in eine veritable Krise? Ein Ausscheiden gegen Saint-Gilles wäre kaum zu verschmerzen. Vorher muss Frankfurt in Freiburg ran. Auch bei dem Verfolgerduell steht viel auf dem Spiel. In Abwehrboss Robin Koch (fünfte Gelbe Karte) fällt im Breisgau eine Führungskraft schon von vorneherein aus.

"Wie ein Kartenhaus zusammengefallen": Frankfurts zwei Gesichter in Brüssel

alle Videos in der Übersicht