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Marc Janko über seine Karriere in sieben Ländern: "Dann kam wieder alles anders"

Marc Janko über seine Karriere in sieben Ländern

"Du kannst trainieren, wie du willst, aber du spielst nicht - das wollten wir dir nur sagen"

Bewegte Karriere: Marc Janko, heute TV-Experte, traf für Sydney, Salzburg und noch viele, viele mehr.

Bewegte Karriere: Marc Janko, heute TV-Experte, traf für Sydney, Salzburg und noch viele, viele mehr. imago images (3)

Als kleiner und mittelgroßer Junge hat Marc Janko wenige Dinge hinterfragt. Wer schon? "Okay, die Typen sind einfach so", dachte er und erzählt von seiner Kindheit in einem Wiener Vorort. "Da gab es damals viele Migranten aus der Türkei, die waren uns gegenüber des Öfteren auch mal aggressiv." Und Janko hat für viele Jahre ebendieses Bild in seinem Kopf. Später merkt er, wie falsch das war.

Mit fast 30 wechselt Janko im Sommer 2012 zu Trabzonspor an die Schwarzmeerküste, auch wenn das nicht wirklich geplant war. "Im Endeffekt war es das Einzige, was mein Manager auf dem Zettel hatte." Es soll ein Zwischenschritt werden, wie schon so oft vorher in seiner Karriere, doch Janko ist erst verletzt und dann nicht gefragt, in zwei Jahren schießt er nur zwei Tore.

Trotzdem hätte der Wechsel in die Türkei wertvoller nicht sein können. "Irgendwann merkst du, wie sich dein Bild ändert", sagt Janko und denkt rund 20 Jahre zurück. In Trabzon, einer relativ armen Region, lernt er "herzensgute" und "zuvorkommende" Menschen kennen, die nicht viel besitzen, "aber das, was sie haben, auch noch mit dir teilen möchten". "Das war eine schöne Erfahrung, diese Geschichte erzähle ich gerne."

Janko kann von vielen Erfahrungen und Geschichten sprechen, er hat seine aktive Karriere im vergangenen Sommer nach 15 Jahren, über 170 Toren und sechs Meisterschaften beendet. Und gerade weil immer alles anders kam, als es zuvor geplant war, blickt er zufrieden zurück auf eine Laufbahn in sieben Ländern; von der Heimat Österreich bis an den Bondi Beach in Sydney.

Warum Janko trotz 39 Toren in Salzburg blieb - und ein Jahr später zu Twente ging

Heute würde Janko 30 oder 40 Millionen Euro kosten, also vermutlich, wer weiß. "Die Zahlen sind verrückt geworden." In Berlin am Rande der Laureus World Sports Awards erinnert sich der 36-jährige Ex-Stürmer im Gespräch mit dem kicker an zwei verrückte Sommer, die in der Nachbetrachtung noch etwas verrückter erscheinen.

In der Saison 2008/09 schießt Janko, damals 25, in 34 Spielen für Red-Bull Salzburg Haalandeske 39 Tore und hat gute Angebote. Er will in Salzburg bleiben, "nicht so ein One-Hit-Wonder" sein und auch ein bisschen zurückzahlen. Ein Jahr zuvor war Janko "ziemlich schwer" verletzt und noch ein "No-Name" in Österreich, doch Dietrich Mateschitz, der Chef höchstselbst, schickte ihn zu den besten Ärzten. "Da habe ich mir geschworen, dass ich, wenn möglich, etwas zurückgebe." Dann muss er lachen. "Ich wollte helfen, dass wir es in die Champions League schaffen." Das klappt bekanntlich nicht, und im Jahr danach nicht, und im Jahr danach...

Gespräch in Berlin: Marc Janko mit kicker-Redakteur Mario Krischel.

Gespräch in Berlin: Marc Janko mit kicker-Redakteur Mario Krischel. GES-Sportfoto/Mercedes-Benz

Das One-Hit-Wonder schlägt sich auch in der Saison darauf ganz gut. Salzburg wird wieder Meister, Janko steuert über 25 Scorerpunkte bei und entscheidet sich dieses Mal für einen Wechsel. Schalke 04 wird als möglicher Abnehmer genannt, "ich kann mich erinnern". Außer dem "üblichen Geplänkel" wird es aber nicht wirklich konkret, stattdessen wechselt Janko für sieben Millionen Euro zu Twente Enschede. "Ich hatte für mich und meine Karriere beschlossen, dass ein Zwischenschritt ganz gut wäre, bevor man dann in eine ganz große Liga wechselt", erklärt Janko und ergänzt einen Halbsatz, der in den rund 30 Minuten noch weitere dreimal fallen wird. "Es kam dann sowieso alles anders."

Die Ansage in Porto: "Schau mal nach Optionen, ich möchte nicht die Nummer zwei sein"

Mit Twente wird Janko niederländischer Pokalsieger, bleibt aber nur anderthalb Jahre. Im Januar 2012 meldet sich Porto eine Woche vor Ende der Transferphase. Ein großer Klub, aber keine große Liga, wie ursprünglich mal geplant. Janko bezeichnet sich selbst als "untypischen Transfer" für Porto, eigentlich kaufe der Verein ja "billig" in Südamerika ein, um daraus später mal Profit zu schlagen, so wie bei Radamel Falcao oder James Rodriguez. Janko ist zu diesem Zeitpunkt schon 29, "aber das war mir wurscht, ich wollt's einfach mal machen". Er trägt mit vier Toren in der Rückrunde seinen Teil dazu bei, dass Porto den ewigen Rivalen Benfica doch noch überholt und Meister wird - doch Janko ahnt schon etwas.

Porto holt im Sommer einen neuen Stürmer, Jackson Martinez, und plant nicht weiter mit Janko. "Der Sportdirektor hat zu mir gesagt: 'Jackson ist ab jetzt die Nummer eins. Du kannst trainieren und spielen, wie du willst, du kannst klar besser sein, aber er wird immer spielen. Das wollten wir dir nur sagen.'" Janko gibt zu, dass sein Ego damals zu groß ist, er möchte seinen Platz in der Nationalmannschaft nicht verlieren. "Deshalb habe ich eine Woche vor Transferschluss meinen Manager angerufen und gesagt: 'Schau mal nach Optionen, ich möchte nicht die Nummer zwei sein.'"

Ich wiederhole mich, aber dann kam wieder alles anders.

Marc Janko

Aber der Manager hat "nicht viel auf dem Zettel", es folgt der Wechsel nach Trabzon, ehe zwei Jahre später das nächste Kapitel wartet. Janko wechselt nach Sydney und hat im Grunde schon mit der Karriere abgeschlossen. "In den zwei Jahren habe ich in der Türkei neben einer größeren Verletzung fast gar nicht gespielt, hatte also nichts vorzuweisen und de facto keine Angebote." Als dann "die Sache" mit Australien aufschlägt, weiß Janko, dass die Liga "niemanden interessiert", aber "ich dachte mir: 'Komm, ich spiele noch zu gerne Fußball, um jetzt ganz aufzuhören. Das nehme ich noch mit, mache mir hier in Sydney ein schönes Leben, gehe nebenbei meinem Hobby nach, verdiene damit ein bisschen Geld und dann ist gut.'" Er muss schmunzeln. "Ich wiederhole mich, aber dann kam wieder alles anders."

In Sydney läuft alles viel besser als erwartet, der Verein wird fast Meister, und Janko trifft in 22 Spielen 16-mal. "Es war eines der schönsten Jahre meines Lebens." Er will bleiben, seine Frau auch. Das Problem ist die Nationalmannschaft. "Die australische Liga nimmt keine Rücksicht auf den europäischen Spielplan, sprich auf die Länderspielpausen. Ich habe aber bei den Verhandlungen gesagt, dass ich unbedingt Nationalspieler bleiben möchte." Weil Janko aber schon im ersten Jahr wegen des ÖFB-Teams viele Spiele in der A-League verpasst hatte, stellt ihm der Verein ein Ultimatum für die Verlängerung: Nationalmannschaft oder Sydney.

"Wir haben uns das überlegt, wir ziehen das Angebot doch wieder zurück"

Irgendwie und irgendwann wendet sich das Blatt, plötzlich bekommt Janko doch beides in Aussicht gestellt. "Ich bin dann in dem Wissen nach Hause geflogen, zurückzukommen - wir hatten uns auch schon ein Haus am Bondi Beach ausgesucht." Janko bereitet sich gerade mit der Nationalmannschaft auf ein wichtiges EM-Qualifikationsspiel gegen Russland vor, als der Anruf aus Australien kommt. "'Wir haben uns das überlegt, wir ziehen das Angebot doch wieder zurück.' Das war natürlich nicht sehr stilvoll, ich hatte ja auch meine ganzen Sachen noch in Sydney."

Marc Janko

"Das war mental eine ganz schwierige Situation, ich durfte mich auf keinen Fall verletzen": Marc Janko. imago images

Beim Quali-Spiel ist Janko plötzlich vertragslos und fängt an nachzudenken. "Das war mental eine ganz schwierige Situation, ich durfte mich auf keinen Fall verletzen." Keine Sorge, die Geschichte nimmt ein Happy End: "Wir haben gewonnen, und ich habe ein wunderschönes Tor geschossen." Janko hat sein Bewerbungsschreiben abgegeben und potenziellen neuen Arbeitgebern etwas gezeigt. "''Ach, den gibt's ja auch noch. Schauen wir uns den mal an, vielleicht spielt der doch nicht so schlecht - können wir gebrauchen.'"

Janko, mittlerweile 32, landet beim FC Basel, dem "Aushängeschild für kleinere Ligen in Europa", ein "unerwarteter und wunderschöner" Schritt. Er wird auch in der Schweiz nochmal Meister, zweimal sogar, wechselt zwei Jahre später zu Sparta Prag und wiederum eine Saison darauf zurück in die Super League zum FC Lugano. Dort ist im Sommer 2019 Schluss.

"Ich hatte am Anfang sogar Heimweh", blickt Janko nochmal auf den Anfang zurück und meint nicht den Schritt von Salzburg nach Enschede oder von Trabzon nach Sydney. "Der Wechsel von Wien nach Salzburg war für mich ein Riesenschritt." Er ist mit dem Gedanken aufgewachsen, "dass es zu Hause am schönsten ist". Im Laufe seiner bunten Karriere, in der immer alles anders kam, aber nie wie geplant, "habe ich schnell gemerkt, wie bereichernd es sein kann, wenn man neue Dinge wagt". Mit jedem Wechsel hat er sich ein Stück weiter von zu Hause entfernt, "jedes Mal war es ein Sprung ins Ungewisse".

Globetrotter Janko: "Ich würde keine Station missen wollen"

Irgendwann, sagt Janko, "habe ich angefangen, es zu genießen, und fand es relativ spannend, neue Kulturen kennenzulernen", andere Ansichten, andere Lebensweisen und andere Lebenspläne zu sehen. "Ich würde keine Station missen wollen, weil mich alles ein bisschen zu dem gemacht hat, der ich heute bin."

Janko arbeitet heute in Österreich als TV-Experte bei "Sky" und als Kolumnist für den "Kurier", der Kalender ist voller als vorher, aber das Leben als Fußball-Rentner "schön". "Unsere zwei Kinder halten uns auf Trab, die Große ist drei Jahre alt, die Kleine eineinhalb."

In Wien lässt die Familie Janko gerade ein Haus bauen, deshalb schaut der Vater, der Ehemann und der "untypische Transfer" am Ende des Gesprächs nochmal hoch an die Deckenzeichnung und zückt das Handy. "Das sieht cool aus, vielleicht nehmen wir das auch so." Hoffentlich kommt dieses Mal nicht alles anders.

Mario Krischel