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Gressel im Interview: "Ich würde auch versuchen, Messi live zu sehen"

MLS-Legionär über das Meisterschaftsfinale und Umzüge

Gressel im Interview: "Ich würde auch versuchen, Messi live zu sehen"

Julian Gressel steht im Finale um die MLS-Meisterschaft.

Julian Gressel steht im Finale um die MLS-Meisterschaft. IMAGO/USA TODAY Network

Herr Gressel, das Finale um die Meisterschaft in der MLS steht an. Am Samstag geht es mit Columbus Crew gegen den Los Angeles FC. Daher die lockere Einstiegsfrage: Gewinnen Sie?

Ganz lockere Einstiegsfrage… (lacht) Hoffentlich! Wir spielen zu Hause, und natürlich ist L.A. eine richtig gute Mannschaft. Das ist das zweite Jahr hintereinander, dass sie im Finale sind. Wir spielen guten Fußball zurzeit, die spielen guten Fußball. Sagen wir mal, 55 zu 45 Prozent stehen die Chancen für uns.

Sie wissen ja, wie sich ein Meistertitel in der MLS anfühlt, 2018 hat das schon mal geklappt mit Atlanta United, vor 73.019 Fans in der erst zweiten Saison überhaupt des Klubs. Lassen sich diese Endspiele vom Rahmen irgendwie vergleichen?

Es war ein bisschen spezieller für mich, weil es erst mein zweites Jahr und der Verein so komplett neu war. Die Euphorie war riesig, wobei das jetzt hier ein bisschen das gleiche Gefühl schon ist. 2020 hat Columbus das Finale gewonnen, da durften wegen Corona aber nur ein paar tausend Zuschauer dabei sein. Die Tickets waren diesmal nach fünf Minuten direkt ausverkauft. Es ist einfach ein schönes Gefühl, wieder im Finale zu stehen und vielleicht den Cup zu holen.

November 30, 2023: Lionel Messi and his Inter Miami teammates will kick off the 2024 preseason with an exhibition match at El Salvador on Jan. 19, 2024. - ZUMAm67_ 0369583283st Copyright: xMatiasxJ.xOcnerx

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Einer Ihrer Mitspieler damals hieß Miguel Almiron, der heute mit Newcastle United Champions League spielt. War das vorherzusehen?

Er hatte selbst gesagt, dass er den Sprung in eine Top-4-Liga machen will. Dass es dann jetzt Newcastle wurde, ist schon stark. Mittlerweile hat er sich da super reingearbeitet und spielt regelmäßig in der Champions League und Premier League oben mit. Er hat super viel dafür getan, ob das am Trainingsplatz war oder im Gym, er wollte sein Potenzial unbedingt ausschöpfen. Deswegen wundert es mich überhaupt nicht, dass er da so gut Fuß fasst.

Wer sind jetzt die MLS-Talente, die man in Europa besonders auf dem Schirm haben sollte?

In Atlanta ist wieder einer, der Thiago Almada. Der Zehner, der ist ähnlich wie Almiron, ein bisschen anderer Spielertyp. Nicht so direkt, aber richtig gut zwischen den Linien und technisch überragend. Der könnte den Sprung diesen Winter machen.

Sie wurden 2017 von Atlanta gedraftet, dann nach drei sehr erfolgreichen Jahren zu DC United getradet, von dort weiter nach Vancouver und im vergangenen Sommer nach Ohio zu Columbus Crew - reicht’s jetzt mit den Umzügen?

ATLANTA, GA  NOVEMBER 07:  Columbus defender Julian Gressel (7) warms up prior to the start of the MLS Cup playoff match between Columbus Crew and Atlanta United FC on November 6th, 2023 at Mercedes-Benz Stadium in Atlanta, GA.  (Photo by Rich von Biberstein/Icon Sportswire via Getty Images)

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Schauen wir mal. (grinst) Ich glaube, es kommen vielleicht ein oder zwei dazu in der Karriere. Ich habe für nächstes Jahr zum Beispiel noch keinen neuen Vertrag. Ich habe eigentlich gedacht, als wir hierhergekommen sind, dass wir uns ziemlich schnell einigen können auf einen neuen Vertrag. Das hat sich dann ein bisschen hingezogen, und jetzt während der Play-offs wollten wir da nicht unbedingt drüber reden. Deswegen müssen wir mal schauen, wie das läuft in den nächsten Wochen. Ich bin nur dankbar, dass meine Frau da alles mitmacht mit den Kindern, die da immer überall mit hingezogen ist.

Ich bin ganz ehrlich, es ist nicht leicht, so weit immer umzuziehen.

Julian Gressel

Ist das nicht ein bisschen heftig, von der Südostküste in den Nordosten, in den Nordwesten nach Kanada und zurück in den Osten?

Es kommen noch kleinere Sachen dazu, wenn man zum Beispiel von den USA nach Kanada zieht. Es ist nicht ohne, dann noch das Land zu wechseln. Ich bin ganz ehrlich, es ist nicht leicht, so weit immer umzuziehen. Wir hatten in D.C. zum Beispiel ein Haus gekauft und mussten dann schauen, dass wir es direkt wieder verkaufen. Es sind schon weite Wege immer, die man da zurücklegt, aber zum Glück sind die Vereine und die Liga sehr hilfreich. Und die wissen, wie viel die Familien auf sich nehmen und wie viel das an uns zerrt.

Wie kam es denn zu dem Wechsel von Vancouver nach Columbus mitten in der Saison?

Das war eine vertragsbedingte Situation. Am Ende des Jahres läuft mein Vertrag aus. Und mit Vancouver gab es richtig gute Gespräche eigentlich für eine Verlängerung. Wir haben uns dann aber aus familiären Gründen dagegen entschieden, einen längerfristigen Vertrag in Vancouver zu unterschreiben.

Warum genau?

Unsere zweite Tochter ist jetzt geboren, wir haben zwei kleine Kinder, und die Familie meiner Frau lebt in der Nähe von Boston. Wir wollten deshalb gerne wieder näher an die Ostküste zurück und haben das an Vancouver so kommuniziert. Und Vancouver hat mit uns zusammen entschieden, dass sie schauen wollen, ob sie denn noch was für mich bekommen in einem Trade.

MLS, Fussball Herren, USA MLS Cup Eastern Conference Final-Columbus Crew SC at FC Cincinnati Dec 2, 2023; Cincinnati, Ohio, USA; Columbus Crew defender Julian Gressel (7) celebrates with the trophy after defeating FC Cincinnati at TQL Stadium. Cincinnati TQL Stadium Ohio USA, EDITORIAL USE ONLY PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xAaronxDosterx 20231202_add_db4_085

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Was geklappt hat.

Ja, Columbus war interessiert. Also hat Vancouver uns wieder gefragt, ob das okay wäre. Ich war schon Teil der Kommunikation und des ganzen Prozesses, was natürlich schön war und was uns auch gefallen hat. Wir waren sofort offen für Columbus und haben uns über den Wechsel gefreut.

Sie haben es mit Columbus trotz 0:2-Rückstand im Conference-Finale in Cincinnati noch ins Finale geschafft. Was muss man über Ihr Team wissen?

Wir haben gerne den Ball, haben starke Spieler, einen richtig guten Trainer (Wilfried Nancy, Anm. d. Red.), der taktisch super arbeitet, finde ich. Ich glaube, wir haben taktisch den besten Trainer, den ich wahrscheinlich hatte in meiner Karriere. Trotz Tata Martino. Es macht richtig Spaß. Es war eine Umstellung für mich, definitiv fußballerisch. Mitten in der Saison ist das schwierig. Deswegen habe ich jetzt auch in den letzten paar Wochen und Monaten nicht sofort Fuß gefasst. Das ist doch eine Umstellung. Aber es macht richtig Spaß. Und so, wie wir spielen, sehe ich den Fußball als Fan auch gerne.

L.A. hat sehr gefährliche Spieler, die von einer Sekunde auf die andere richtig wehtun können.

Julian Gressel

Und der Gegner aus L.A.: Hat man da als offensiv ausgerichteter Spieler ein besonderes Auge auf Giorgio Chiellini?

Ja, ein bisschen schon. Es ist ein Finale. Da ist die Vorbereitung generell speziell, da schaut man sich natürlich das eine oder andere Video mehr an. L.A. hat sehr gefährliche Spieler, die von einer Sekunde auf die andere richtig wehtun können. Deswegen wird es schon ein interessantes Spiel, denke ich.

Von außen gesehen hat man den Eindruck, dass die MLS in Europa wieder ein bisschen eingebüßt hat an Aufmerksamkeit - bis dann im Sommer Lionel Messi kam. Wie haben Sie diese absurden Wochen nach seiner Ankunft in Miami wahrgenommen?

Viele Vereine haben jetzt schon für nächste Saison Tickets für das Spiel gegen Inter Miami vorverkauft, obwohl das noch nicht mal terminiert ist. Und die Preise sind natürlich entsprechend hoch. Man spürt diesen Hype auf jeden Fall. Es ist eine spannende Zeit für die Liga, viele neue Zuschauer kommen dazu, das hilft. Ich freue mich darüber.

Aber nervt dieser wahnsinnige Hype nicht manchmal auch ein bisschen?

Es ist ein bisschen krass, weil der Unterschied zwischen den normalen Wochen und einer, wenn Messi mit Miami kommt, einfach enorm ist. Ich bin da trotzdem eher positiv gestimmt, mich nervt es überhaupt nicht. Ich verstehe ja, dass so viele Leute ihn gerne sehen wollen. Ich würde es auch versuchen, wenn ich kein Spieler wäre! (lacht) Es ist eine einmalige Chance, hier für Leute in den USA Messi live spielen zu sehen. Das wäre in jeder Liga so.

Sie sind jetzt seit zehn Jahren in den USA, haben eine amerikanische Frau, die amerikanische Staatsbürgerschaft und sind zum zweiten Mal Vater geworden. Zieht es Sie überhaupt nochmal nach Deutschland oder Europa?

Nächste Woche werde ich 30. Die Zeit, dass ich nach Deutschland wechsle zum Fußballspielen, ist wahrscheinlich vorbei, so ehrlich muss ich sein. Ich habe mir hier in der MLS einen richtig guten Namen gemacht, auch schon für die Nationalmannschaft gespielt. Was natürlich auch ein Riesenerfolg ist für mich und worauf ich richtig stolz bin. Aber ich sage niemals nie.

Haben Sie denn, obwohl Sie sich vor dem Finale noch keine Gedanken machen wollen, eine Tendenz, wie es nach dem MLS-Cup-Finale weitergehen soll?

Ich glaube, mittlerweile weiß jeder in der Liga, dass ich nicht so gerne zurück an die Westküste gehen würde, weil das auch öffentlich kommuniziert wurde von uns. Deswegen denke ich, dass wir hier wahrscheinlich in der Eastern Conference bleiben werden. Wo genau das dann weitergeht, schauen wir mal. Vielleicht sogar hier in Columbus.

Anfang des Jahres haben Sie sich den Traum von der US-Nationalmannschaft erfüllt und beim Gold Cup - nicht mit der A-Besetzung - gespielt, zuletzt aber wieder hinten angestanden. Glauben Sie an weitere Einsätze?

Ich habe nicht komplett die Hoffnung verloren. Ich glaube, ich bringe spezielle Qualitäten mit, die vielleicht in der einen oder anderen Situation sehr hilfreich sein könnten für die Nationalmannschaft Ich bin guter Dinge, dass ich, wenn ich meine Qualitäten zeige, Greg Berhalter ein bisschen Kopfschmerzen mache, ob er mich dann einberuft oder nicht.

Bis zur WM 2026 ist ja noch hin …

Eben.

Interview: Mario Krischel